Redebeitrag zur Demonstration in Moabit anlässlich der Pogromnacht von 1938
Ich spreche hier als Vertreter des Vereins „Sie waren Nachbarn“. Jüdisches Leben in Moabit in Vergangenheit und Gegenwart ist unser Thema. Deshalb können wir zu den Geschehnissen der letzten Monate nicht schweigen.
Der Angriff von Hamas auf den Staat Israel am 7. Oktober 2023 markiert eine Zäsur. Er zeigt plastisch, wie bedroht die Heimat der Juden ist. Hamas leugnet das Existenzrecht Israels.
„From the river to the sea“ heißt nichts anderes, als Israel liquidieren zu wollen. Darauf ist alles Tun dieser Terror-Organisation ausgerichtet.
Was die israelische Regierung im Kampf gegen seine Feinde militärisch tut, steht unter internationaler Kritik. Auch hier in Deutschland. Sogenannte propalästinensische Demonstrationen fordern – zum Teil militant – die Verurteilung Israels als Aggressor.
Zunehmend richten sich die anti-israelischen Aktionen auch gegen hier lebende Jüdinnen und Juden.
Seit dem Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 und der israelischen Reaktion darauf stieg die Anzahl antisemitischer Übergriffe und Vorfälle hier um mehr als 80%. Hier lebende Juden und Jüdinnen werden verantwortlich gemacht für die Taten des israelischen Staates.
Über manches im Krieg in Gaza und Libanon kann kontrovers diskutiert werden. Wir dürfen es aber nicht zulassen, dass die Verbrechen des Nationalsozialismus relativiert oder geleugnet werden und eine Opferumkehr stattfindet.
Diese rote Linie darf nicht überschritten werden. Doch sie ist überschritten, wenn hebräisch sprechende Menschen aus Angst ihre Sprache in der Öffentlichkeit nicht mehr verwenden, wenn Wohnhäuser von hier lebenden Jüdinnen und Juden mit Davidsternen markiert werden, wenn Gedenkorte wie der in der Rosenstraße besprüht werden, wenn Jüdinnen und Juden auf der Straße bedroht, angegriffen und verletzt werden. Wie ein Mann in der Beusselstraße, der eine israelische Fahne um den Hals hatte.
Die israelische Flagge vor dem Rathaus Tiergarten wurde zweimal heruntergerissen, antiisraelische Hetzparolen wurden auf die Mauer des Rathauses zur Markthalle hin gesprüht.
Unsere Ausstellung zum Krankenhaus Moabit wurde angegriffen und zerstört, seit dem 7. Oktober wurden 4 unserer Hörstationen demoliert und außer Funktion gebracht, die an die Verbrechen der Nazis in Moabit erinnern.
Was haben die jüdischen Opfer der Nazis mit dem zu tun, was heute in Gaza geschieht. Was haben die hier lebenden Jüdinnen und Juden für eine Verantwortung für den Krieg zwischen Israel und der Hamas. Das ist blanker Hass auf Juden.
Eine Ursache dafür ist tief sitzender Antisemitismus. Seit den Verbrechen der Nazis wird dieser z.T. weniger offen geäußert, er kommt anders daher. Eine Art, antisemitisch agieren zu können, ohne Jüdinnen und Juden direkt zu denunzieren, ist den Hass auf Israel als jüdischen Nationalstaat zu lenken, der nun für alles Böse verantwortlich gemacht wird.
Dies ist deutlich zu unterscheiden von berechtigter Kritik an der rechten israelischen Regierung, wie es auch durch die israelische Zivilgesellschaft auf beeindruckende Weise geschieht.
Eine besonders perfide Variante ist, wenn gehetzt wird, Jüdinnen und Juden würden sich mit Verweis auf die Shoa gegen Kritik immunisieren.
Der Antisemitismus erhebt aus allen politischen Richtungen seine hässliche Fratze. Sei es linker Antisemitismus, getarnt hinter einer dekolonialen, antiimperialistischen Maske, religiöser antiisraelischer Antisemitismus oder der rechtsextreme Antisemitismus.
Erinnert sei an die AFD, eine rassistische, antisemitische und antidemokratische Partei, die bei drei Landtagswahlen erfolgreich war.
Wir solidarisieren uns mit allen Menschen in Israel, Gaza, der Westbank und den umliegenden arabischen Ländern, die ein gleichberechtigtes, friedliches Zusammenleben der dort Lebenden wollen.
Wenn diese sich durchsetzen, wird Frieden Realität.